In der Unterstufe haben unsere Schüler das erste Mal die Möglichkeit, Theaterluft zu schnuppern. Nach gemeinsamen Vorübungen, in denen die Grundlagen des Spielens erarbeitet werden, beginnen die Proben am gemeinsamen Theaterstück. Auf der Theaterfreizeit werden neben der fleißigen Arbeit an den Rollen auch Kostüme entworfen und Kulissen gebaut. Highlight ist natürlich die öffentliche Aufführung, die am Schuljahresende oder zur Einschulung der neuen 5.Klässler stattfindet.

Die Theater AG der Mittel- und Oberstufe wurde bereits 1973 anlässlich eines Schulfests ins Leben gerufen. In den vielen Jahren seither wurden unzählige Stücke inszeniert und aufgeführt. Einige Mitglieder führten bei einigen Stücken auch selbst Regie oder blieben der AG noch nach dem Abitur treu.

Die Theater-AG des Parler-Gymnasiums hat ihr eigene Homepage, auf der sich alle Information zu aktuellen Aufführungen finden lassen:

Jedes Spiegelbild hat Risse - auch „Ein perfekter Ehemann“ von Oscar Wilde

Bühne auf und Vorhang frei für die Theater AG des Parler Gymnasiums.

Diese Erkenntnis bot Oscar Wildes Komödie „Ein perfekter Ehemann“ in der Theaterwerkstatt in Schwäbisch Gmünd die Theater AG des Parler Gymnasiums.
Die Mitglieder der AG konnten unter der Leitung von Frau Hamm und Herrn Fohmann ihr ganzes Können in der Inszenierung ihres diesjährigen Theaterstücks beweisen. Die Probezeit in den Wochen davor war intensiv genutzt worden, denn den Schauspielern gelang es, das Stück auf der Bühne zum Leben zu erwecken. Man tauchte ein in die erstaunlich vertraute Vergangenheit des dekadenten Englands um 1900, in eine Welt voller Oberflächlichkeit und Intrigen. Die passende Atmosphäre wurde durch Licht und Requisiten geschaffen, sodass der Zuschauer nicht nur Betrachter war, sondern Teil des Ganzen wurde. Man wollte selbst gern Teil der Gesellschaft sein und Fragen klären wie: Schaffen es die Goring Brüder den Ansprüchen ihrer Eltern gerecht zu werden? Beichtet Sir Robert Chiltern seiner Frau seine dunkle Vergangenheit oder auch schaffen es die Cousinen Mrs.Cheveley und Mrs.Allonby ihre Intrigen weiterzuspinnen?
Es wurde aufgezeigt, dass die damalige High Society durchaus nicht so perfekt war, wie ihre Mitglieder von sich annahm. Gutsitzende Frisuren, wunderschöne Kleider und das passende Accessoire waren das Sinnbild des damaligen Selbstbilds und der Selbstbespiegelung. Doch jeder Spiegel hat Risse und so legten die Mitglieder der Theater AG durch authentische Spielweise und souveräner Darbietung nahe, dass jeder perfekte eheliche, politische und gesellschaftliche Erfolg ein reines Gewissen erfordert. Doch steht nicht nur die individuelle Geschichte der Figuren im Vordergrund, auch der Wandel der Gesellschaft und der damit verbundene Stand der Frau wird deutlich gemacht.
„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende“, sagte der Autor Oscar Wilde. Und so war nicht nur das Theaterstück nicht nur für die Zuschauer ein voller Erfolg, sondern auch für die Protagonisten: denn trotz Rache, Lügen und Intrigen gelingt es allen – außer den böswilligen Intrigantinnen - ihre persönliche Geschichte zum Guten zu wenden.
Im Zentrum des Stückes steht Sir Robert Chiltern, welcher sich durch glänzende Rhetorik einen Namen in der Politik gemacht hat. Doch hat er seinen Reichtum vor Jahren mit dem Verrat eines Staatsgeheimnisses erworben. Er steht daher nicht nur in einem direkten Konflikt mit sich selbst, sondern will vor allem seine hypermoralische Frau Lady Gertrude Chiltern nicht enttäuschen und ihr der perfekte Ehemann sein. Beide Charaktere wurden auf ausgezeichnete Art von Benedikt Winker und Valentina Hirner verkörpert. Beide überzeugten durch die Art, die intensiven Gefühle und inneren Konflikte ihrer Figuren schauspielerisch darzustellen und dem Zuschauer die emotionale Tiefe der Figuren lebendig zu machen.
Dass Sir Roberts Reichtum auf dem Verrat eines Staatsgeheimnisses beruht kommt den beiden Cousinen Mrs. Laura Cheveley und Mrs. Evelyn Allonby sehr zu Gute, denn sie erhoffen sich durch manipulative und intrigante Art einen Vorteil aus dieser in der Vergangenheit liegenden Lügen zu ziehen. Diese beiden Rollen werden auf brillant böse und provokante Weise von Neele Krieger und Allegra Reichle gespielt.
Freunde sind da, wenn man sie braucht und genau diesem Prinzip genügen die aristokratischen Brüder Cedric und Arthur Goring. Sie wurden realitätsnah und voll sarkastischen Witzes von Saskia Leutner und Tim Benics dargestellt. Die beiden Dandys und Lebemänner versuchen die Intrigen der Cousinen aufzudecken und ihrem Freund Sir Robert Chiltern aus der Klemme zu helfen. Am Ende gelingt es ihnen die beiden Intrigantinnen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und Sir Roberts Geheimnis vor der Öffentlichkeit zu wahren. Als Gegenleistung bekommen die beiden die Einwilligung ihre extravaganten Freundinnen Mabel Chiltern und Celia Darlington zu heiraten. Diese beiden Rollen wurden auf charmante, freche und feminine Weise von Hollie Weiblen und Jule Stemmler verkörpert.
Diese Heirat beglückt nicht nur die vier Verliebten, auch werden die Eltern der Brüder Goring zufrieden gestellt, welche sich schon viel früher erhofft hatten, dass ihre Söhne den Bund der Ehe eingehen. Noe Becker und Kasia Schmidt stellten den bissige und seine Söhne immer kritisch kommentierende Lord und seine Hüte und Heirat liebende Gattin äußerst lebendig und mit viel Beifall des jugendlichen Publikums für ihre Darstellung nerviger Eltern dar.
Die Person, die die Intrigen gegen Sir Robert Chiltern ungewollt erst in Gang setzt, ist Baroness Augusta Markby. Sie hat die beiden erpresserischen Cousinen mit Sir Robert Chiltern bekannt gemacht. Diese schon etwas ältere, altmodische und aber sehr gesprächige Dame wird auf ausdrucksvolle und sprachlich intensive Weise von Ghani Brantl gespielt.
Amalia Berisha verkörperte Lady Olivia Basildon auf sehr damenhafte Weise. Diese ist mit ihrer Ehe trotz des „perfekten“ politischen Mannes unzufrieden und mischte sich gemeinsam mit Baroness Augusta Markby immer beim neuesten Klatsch, Tratsch und beim Ehen stiften ein.
Das Stück wurde durch Philip Beyn, der den anglophilen Baron Nikolaj Daschkow mit authentischem Akzent und auf amüsante Art spielte und Maja Minderlen, welche eine Doppelrolle als eitlen Sekretär Thomas Trafford und zuverlässigen Butler Phipps auf amüsante und glaubwürdige Weise verkörpert, komplettiert.
Auch wurden die Schauspieler durch die Maske und Frisuren von Elisabeth Felde, Martha Bertz und Lejla Zecic perfekt in Szene gesetzt. Die Technik wurde von Scott Wacker, Paul Stifani und Florian Kruspel durch punktgenaue Inszenierung des Lichts, des Tons und des Bühnenbilds ins passende Licht gerückt. Auch dem besten Schauspieler könnte einmal ein Texthänger passieren, doch für diese Fälle Stand Romy Eberle dem Cast als Souffleuse zur Seite. Sie konnte das Stück allerdings fast ohne Einsatz genießen.
Die Aufführungen vom 05.07.2022 und 07.07.2022 standen im Zeichen des Kontrastes zwischen Sein und Schein, welcher durch ausgezeichnetes schauspielerisches Können transportiert wurde.
Die Anerkennung durch den anhaltenden Applaus des gut amüsierten, aber auch über Politik und Ehe nachsinnenden Publikums war für alle Beteiligten mehr als verdient.

Samina Kuhn